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Eine Polizei demokratisiert sich selbst

Diskussionskommando Berlin

Erstes Treffen

Um die Spirale der Gewalt, bis hin zur berühmt-berüchtigten Schlacht am Tegeler Weg, zu durchbrechen, galt es gänzlich neue Wege zu finden und zu beschreiten. Klaus Hübner schreibt dazu in seinem Buch “EINSATZ": "Der Widerspruch, den ich in den Griff bekommen mußte, bestand in meiner dokumentierten Über- zeugung, daß sich der Polizei- beamte in seiner Tätigkeit als Mitglied der Gesellschaft begrei- fen muß, die ihm den Auftrag gegeben hat, sich für ihre Sicherheit voll und ganz einzu- setzen, und der daraus folgen- den Logik, daß er sich wie alle anderen verhält, nämlich wie ein Mensch. Ein Mensch mit allen seinen Ansprüchen, die ihm eine selbstbestimmte Gesellschaft eröffnet und mit allen seinen Ängsten, die kreatürlich und damit so schwer vom kühlen Verstand zu kontrollieren sind."
Polizei-Unterkunft Kruppstraße Schlieffen-Saal
Die Beamten kamen aus den unterschied- lichsten Dienststellen und Verwendungen. Fast jede Altersgruppe war vertreten. Das Durchschnittsalter lag bei 25 Jahren. Klaus Hübner erläuterte seine Vorstellung von dieser zukünftigen Gruppe und mach- te deutlich, dass es sich um einen Ver- such handelte, für den es kein Vorbild gab. Allerdings war es ein Versuch, der keinesfalls schiefgehen durfte. Die Anwe- senden erhielten Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Wer sich dann dafür ent- schieden hatte, sollte um 09:00 Uhr seinen Dienst beim Sonderkommando "Einsatzerprobung und Sonderaufgaben" antreten. Die Zuhörer verließen am Ende nachdenklich und eher schweigend den Schlieffensaal in der Unterkunft BPA II, in der Kruppstraße. Am folgenden Tag meldeten sich 47 Poli- zeibeamte zum Dienst, daher der spätere Name "Gruppe 47". Als ihr Leiter wurde Werner Textor eingesetzt. Es wurde auch gleich mit der Vorbereitung auf die neuen Aufgaben begonnen.

68er Revolte

Die damaligen Gewaltdemonstranten hatten die Gewalt gegen Sachen für legitim erklärt. Polizisten wurden zu "Pigs" oder "Bullen" erklärt und damit zu Sachen ernannt. Klaus Hübner fragte den Psychologen Prof. Siegfried Schubenz: "Was unterscheidet Mensch und Sache? Was haben sie auf keinen Fall gemeinsam?" Antwort: "Es ist die Sprache! Nur der Mensch kann mit dem Menschen sprechen." Klaus Hübner: "Ich brauchte Freiwillige für ein Ex- periment, das es noch nie gegeben hatte." Anfang April 1969 wurde ein Rundschrei- ben an die Dienststellen verschickt, um diese Freiwilligen zu finden. Im April 1969 kamen 60 Polizisten im Schlieffen-Saal der Bereitschaftspolizei Abteilung II in der Kruppstrasse in Berlin-Moabit zusammen, um sich mit der Idee zur Gründung eines Sonder- kommandos vertraut zu machen.