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Eine Polizei demokratisiert sich selbst
Diskussionskommando Berlin
Drogenhandel in Berlin
Der Rauschgifthandel war in Berlin 1968 noch
kein ernstes Problem. Die Drogenkartelle fingen
gerade erst an, ihre Absatzmärkte aufzubauen
und Kunden, also Abhängige, zu rekrutieren. Der
Konsum von Haschisch galt auch in Teilen der
"besseren Gesellschaft" als harmlos und schick.
Die Gefahren wurden nicht erkannt oder bewußt
heruntergespielt. Mal einen Joint rau-chen sollte
sogar zur Bewußtseinserweiterung führen. Um
dies zu begründen, wurden Bücher geschrieben
und sogar veröffentlicht.
Das Rauschgiftdezernat der Berliner Kripo war
mit drei bis vier Beamten besetzt. Zur Unter-
stützung wurde das Diskussionskommando eingesetzt. Die Vorbereitung war
gewohnt sorgfältig. Bald kannten wir alle gängigen Sorten Haschisch und
Heroin.
Die Diskothek "Park" am Kurfürstendamm war der heimliche Umschlagplatz
für Drogen aller Art. Zur Vorbereitung einer Razzia wurde es von uns lange
vorher schon observiert. In einer der dortigen Szene angepassten Kleidung,
dem entsprehenden Haarwuchs und Benehmen waren einige von uns dort
täglich Gast. So konnte es dann auch vorkommen, dass der kreisende Joint
bei einem selber landete. Um nicht aufzufliegen wurde dann schon der eine
oder andere Zug gemacht. Bei mir trat jedenfalls keine Erweiterung des Be-
wußtseins ein, sondern Kopfschmerz am anderen Morgen. Um die Händler
und Lieferanten zu erkennen, wurde die Disco von gegenüber liegenden Häu-
sern mit Nachtferngläsern überwacht. Dabei kam es einmal zu einer sehr ge-
fährlichen Situation, aus der wir uns nur knapp retten konnten. Eine Putzfrau
hatte uns verpfiffen.
Mit Unterstützung anderer Polizeieinheiten führten wir dann die erste Rausch-
giftrazzia der Stadt durch. Eine Journalistin des "Berliner Abend" begleitete
uns. Ihr Artikel war dann mehr Dichtung als Wahrheit, aber das sollte uns
noch mehrmals mit Fernsehsendern passieren. Der Einsatz war ein voller
Erfolg.
Die Gegenseite war auf diese neue Vorgehensweise der
Polizei nicht vorbereitet. Wir stellten Rauschgift, als Pfand
einbehaltene Ausweise, Pässe und Geld sicher. Mit vor
Ort waren Staatsanwälte und auch Polizeipräsident
Hübner. Unvergessen sein Rüffel an einige Leitende Po-
lizeibeamte, die anstelle des Schutzhelmes die normale
Dienstmütze trugen: "Aber meine Herren! Sie sind doch
keine Frontoffiziere!"
Vom "Park" verlagerte sich die Drogenszene zum "Un-
limited 2000" in der Genthiner Straße. Die Dealer hatten
sich auf unsere Einsätze vorbereitet. Rund um das Vier-
tel standen Beobachter, die die Gäste und die Betreiber
rechtzeitig warnen konnten. Um dennoch Erfolg zu ha-
ben, führten wir einige Razzien mit unseren eigenen Au-
tos und in Zivil durch. Der Überraschungseffekt garan-
tierte den Erfolg. Ein Highlight waren zwei solche Ein-
sätze im Abstand von 30 Minuten.
Im Lokal selbst und davor waren stets mindestens 1000
Gäste. Wir waren höchstens 10 bis 15, ohne Unterstüt-
zung durch andere Kräfte. Ein sehr gefährliches Kräfte-
verhältnis, das wir mit schnell ausgeführten Aktionen
kompensieren konnten. Die großen Erfolge bestätigten
uns aber, daß unsere selbst ausgedachten und durchge-
führten Einsatzkonzepte richtig waren.
Zur Aufklärung und Prävention hielten wir Vorträge zum
Thema Rauschgift vor Konfirmanden, Eltern und im
"Haus der Kirche" in der Goethestraße. Leider wurden
unsere Warnungen vor einer unkontrollierbaren Ausbrei-
tung der Drogenkriminalität nicht ernst genommen und
verharmlost. Um der Wahrheit aber die Ehre zu geben:
Wir hätten es nicht verhindern können.